Gescher. „Wir stehen hier, um zu erinnern“, so Veronika Hüning am Samstagmorgen am Heinrich-Hörnemann-Haus. In einer Gedenkfeier gedachten Schüler der 10. Realschulklassen sowie Vertreter von Pax Christi, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sowie Mitglieder des Stadtrats der zwanzig deportierten Gescheraner Juden, die von ihrer Heimat nach Riga deportiert wurden.
Vor genau 75 Jahren, am 10. Dezember 1941 wurden die vier Familien jüdischen Glaubens aus Gescher deportiert. An jenem Mittwochmorgen zwischen 6 und 7 Uhr wurden die zwanzig Frauen, Männer und Kinder aus ihren Häusern geholt. In polizeilicher Begleitung brachte man sie zum Sammelplatz vor dem damaligen Amtsgebäude. „Die jüdischen Menschen waren Nachbarn, hatten Kunden und Freunde, die Kinder hatten Kameradinnen und Kameraden in der Schule“, so Veronika Hüning. „Mit dem Rassenwahn wurden sie zu Opfern; sie wurden ausgegrenzt, entrechtet, ausgeplündert und verschleppt“ hieß es weiter. Am Ende stand die systematische Vernichtung von Menschen jüdischen Glaubens.
Zur Erinnerung legten die Teilnehmer rote und weiße Rosen am damaligen Polizeigebäude, dem heutigen Glockenmuseum, nieder. Schweigend machte sich die Gruppe auf den Weg zur Elionore-Stein-Straße (benannt nach dem jüngsten aus Gescher deportierten Kind). Für jede der vier Gescheraner jüdischen Familien wurde hier bereits vor Jahren eine Stele errichtet. So mancher Passant hielt interessiert inne und verfolgte die Feier, andere oder besser gesagt die Mehrheit fuhr vorüber. Man hatte am 3. Adventswochenende scheinbar andere Sorgen oder Gedanken.
Schülerinnen und Schüler der 10. Realschulklassen hatten sich im Geschichtsunterricht intensiv mit dem Thema befasst, wie Schulleiter Heinz Wolberg berichtete.
„Hier in Gescher lebten Menschen, Menschen die wie alle Träume vom Leben hatten“, so der 16-jährige Tom Breuers. Ihre Lebensmöglichkeiten sind ihnen geraubt worden indem ihnen auf grausame und leidvolle Weise ihr Leben genommen worden ist.
Für jeden deportierten Mitmenschen hatten die Schülerinnen und Schüler Kerzen gefertigt. Mit dem Verlesen der einzelnen Namen „Ich, Ruth Marx (die Familien Marx, Falkenstein, Marx, Stein), träume nicht mehr!“ wurden die Kerzen aufgestellt. „Wir sind heute aufgefordert, wachsam zu sein, damit ein solches Leid wie vor 75 Jahren nicht wieder geschieht“, fordert Justus Bürder und hofft auf ein Leben „miteinander“.
Text und Fotos: Franz-Josef Schulenkorf
Überschrift: Jens Effkemann