Oelde. Direkt neben der Gesamtschule Oelde liegt der katholische Friedhof. Für die Schülerinnen und Schüler ist es Normalität, die Pausen neben dem Friedhof zu verbringen, bei einem Blick aus dem Fenster eine Beerdigung zu sehen oder schnell den kürzeren Heimweg über den Friedhof zu nutzen. Doch nach einer Unterrichtseinheit zum Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque gab es ein großes Bedürfnis, sich stärker mit den Auswirkungen der Weltkriege zu beschäftigen.
Der Roman „Im Westen nichts Neues“ aus dem Jahr 1929 macht mit seinen eindringlichen Beschreibungen aus der Perspektive eines deutschen Soldaten die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges deutlich. Der Soldat Paul Bäumer erlebt den Ersten Weltkrieg an der Westfront in vielen Facetten: die Angst im Schützengraben, direkte Kämpfe gegen die französischen Soldaten, Verwundete und Sterbende, die Angst im Lazarett, Kriegsgefangene und die Sorgen der Familie um ihre Verwandten. Im Unterricht haben sich die Schülerinnen und Schüler in Projektgruppen sehr ausführlich mit den Personen und geschilderten Ereignissen beschäftigt.
An den Projekttagen im Januar und März 2024 mit Bildungsreferentin Nina Kliemke standen die in der Stadt noch sichtbaren Kriegsfolgen im Fokus: Wo lassen sich in Oelde, und insbesondere auf dem Friedhof, Spuren von Krieg und Gewalt ablesen? Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. ist direkt nach dem Ersten Weltkrieg gegründet worden und war für die Angehörigen der Kriegstoten in den ersten Jahren nach dem Krieg ein Ansprechpartner, um nach ihren Verwandten zu suchen. Um die aktuellen Aufgaben des Volksbundes zu begreifen, arbeiteten die Schülerinnen und Schüler mit dem „Volksbundkoffer“, der viele Exponate und Anschauungsmaterialen zu den drei Säulen der Volksbundarbeit (Kriegsgräberfürsorge, Gedenken und Jugend und Bildungsarbeit) enthält.
Zur Erkundung der Kriegsgräberstätte auf dem Katholischen Friedhof und der Erinnerungsorte nutzten die Lerngruppen die App Biparcours. Sie ist ein digitales Lernwerkzeug von Bildungspartner NRW und kann sowohl von Schulen als auch außerschulischen Lernorten als Partner für Schulen in NRW kostenlos genutzt werden. Mit dem Parcours Kriegsgräber in Oelde erkundeten die Schülerinnen und Schüler die Gräber des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie die „Kriegergedächtniskapelle“. Auf dem Friedhof befinden sich viele Gedenksteine, die an Kriegstote des Ersten und Zweiten Weltkriegs erinnern, die nicht in Oelde, sondern im Ausland beerdigt sind. Diese Grabsteine, die von Familien aufgestellt worden sind, zeichnen sich durch einen deutlich besseren Erhaltungszustand aus. Leider können die Grabsteine auf der Kriegsgräberstätte kaum entziffert werden, und für die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter fehlt ein namentliches Gedenken.
Die Begegnung mit den Kriegsgräbern und Schicksalen der Kriegstoten und der Erinnerungskultur in Oelde beeindruckte die Schülerinnen und Schüler sehr. „Das war im Buch sehr eindrücklich, doch jetzt sehe ich, dass das alles auch hier war. Das ist mir jetzt viel näher“ sagte eine Schülerin der 10. Klasse auf dem Weg zurück ins Schulgebäude.
Für die Projektgruppen war der digitale Zugang entweder über die Videos des Volksbundes oder die App Biparcours sehr wichtig. Für die betreuenden Lehrkräfte ergaben sich nach den ersten Projekttagen mit fünf Lerngruppen schnell weitere Projektideen, die gemeinsam mit dem Volksbund realisiert werden sollen.