Gelsenkirchen/Riga. Im Rahmen des Projektkurses Geschichte, der Teil des Friedensprojektes der Gesamtschule Berger Feld in Gelsenkirchen ist, engagieren sich Schüler*innen im Bereich Erinnerungskultur. Nach intensiver Vorbereitung fuhr der Projektkurs der Jahrgangsstufe 13 (Q2) vom 5. bis zum 9. März 2019 in die lettische Hauptstadt Riga, begleitet von der Oberstufenleiterin Angela Wendt–Taschbach und dem Leiter des Projektkurses Patrick Hoffmann.
Wie in den vorhergehenden Jahren ging es um das Erinnern und Gedenken von Gräueltaten in der Zeit von 1905 bis 1999. Bindeglied zwischen Gelsenkirchen und Riga sind die Soldaten und deportierten Juden aus Gelsenkirchen und dem Ruhrgebiet, die auch auf den Gräberfeldern und Friedhöfen in Riga liegen. Ein Schwerpunkt der diesjährigen Fahrt war aber auch die Frage nach Unterschieden in der Erinnerungskultur von „Ost“ und „West“.
Zunächst besuchte die Gruppe das Okkupationsmuseum. Dort wurden sie von einem Volontär aus Wien durch die Ausstellung geführt und erfuhren viele interessante Details der wechselvollen Besatzungsgeschichte Lettlands. Dass ein junger Österreicher sich in die Geschichte Lettlands eingearbeitet hat und eine Gruppe junger Deutscher informiert, steht stellvertretend für ein gemeinsam gelebtes Europa. Im Anschluss daran recherchierten sie vor Ort die Geschichte der großen Choral Synagoge am Rande des ehemaligen Ghettos sowie die Geschichte von Janis Lipke, einem ehemaligen Hafenarbeiter, der 55 Juden vor den Nationalsozialisten retten konnte.
Am nächsten Tag war das erste Ziel die Gedenkstätte des ehemaligen Lagers bei der Stadt Salaspils, das ein Arbeitslager und kein Vernichtungslager war, wie viele heute noch meinen. Durch die schiere Größe des Platzes ist es unmöglich, sich gedanklich und emotional der Wirkung der Gedenkstätte zu entziehen. Begleitet wird diese Erfahrung durch die gelungene Dokumentation vor Ort, welche Videos von Zeitzeugen, die Geschichte und den Aufbau des Lagers, aber auch die Entstehung der Gedenkstätte in den 1960er Jahren dokumentiert. Die nächste Station war die Gedenkstätte Rumbula, ein Ort, der unbeschreibliches Grauen dokumentiert. Dort wurden 1941 nahezu 30.000 Juden umgebracht. Die Gruppe gedachte der Ermordeten und war beeindruckt und betroffen zugleich von der Gedenkstätte, welche unter finanzieller Beteiligung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. in Stand gesetzt wurde. Im Museum „Jews of Latvia“ erfuhren die Schüler*innen viel über die lange Geschichte der jüdischen Bevölkerung des Landes.
Am Folgetag fuhr die Gruppe zunächst zum Wald von Bikernieki. Hier fanden Erschießungen durch russische Bolschewiki und später auch der SS statt. Heute finden sich Steinplatten innerhalb dieses Denkmals, welche auf die Herkunftsorte der Getöteten verweisen. Auch Gelsenkirchen ist dort zu finden. Die Reise führte weiter zum Brüderfriedhof, einem Ort, der heute zum Teil zivil genutzt wird. An diesem Ort wird den Gefallenen des Ersten Weltkrieges und des lettischen Unabhängigkeitskampfes gedacht. Die Gedenkstätte bildet dabei den zentralen Teil einer Waldfriedhofsanlage. Etwas am Rand gelegen findet sich eine vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge errichtete Stele im Gedenken an die deutschen Soldaten. Die Schüler nutzten diesen Ort um, im Gedenken an alle Kriegstoten, selbstverfasste Reden vorzutragen und ein Gesteck aus Blumen abzulegen. Abschließend wussten die Exponate im Kriegsmuseum die Schüler*innen zu beeindrucken.
Ein Dank geht an alle Beteiligten der Schule für ihre Unterstützung, das Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen, als langjährigem Bildungspartner, für die kompetente Beratung und den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., als avisiertem neuen Bildungspartner, für die guten Impulse. Nicht zuletzt dankt die Schule dem Land NRW für die finanzielle Unterstützung der Fahrt.