Telgte. Vor über 70 Jahren fuhren die unscheinbaren Viehtransportzüge auch von westfälischen Bahnhöfen ins lettische Riga. Beladen waren die Züge allerdings nicht mit Vieh, sondern mit Menschen. Vätern, Töchtern, Vereinskameraden – Menschen, die noch kurz zuvor fest verankert waren in ihren Wohnorten. Menschen, die in den Osten gebracht wurden, um dort zu sterben. So wollte es das Nazi-Regime.
Die Morde an über 25 000 Juden, die im Ghetto von Riga ihr Leben ließen, fanden nach Ende des 2. Weltkriegs kaum Beachtung. Mittlerweile aber wird sich dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte wieder erinnert. Auch in Telgte, dass damals mit Siegfried und Henriette Mildenberg sowie Karl-Heinz Steinhardt drei Mitbürger in Riga verlor. Gestern unterzeichneten Bürgermeister Wolfgang Pieper und Regierungspräsident Prof. Dr. Reinhard Klenke im Rathaus in Beisein vieler Politiker und Gäste sowie Vertretern des Vereins Erinnerung und Mahnung die Beitrittsurkunde der Stadt zum Riga-Komitee, das im Jahr 2000 durch Repräsentanten deutscher Großstädte sowie des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge gegründet worden war.
Bürgermeister Pieper mahnte, dieses Erbe der deutschen Geschichte niemals zu vergessen und sich die Geschehnisse von damals auch heute im Umgang mit Minderheiten bewusst zu machen. Regierungspräsident Klenke nahm ebenfalls Bezug auf die Prävention ähnlicher Vorgänge. Wissen sei zwar kein absolut sicherer Schutz, noch immer aber der Beste gegen das Böse. Bewegende Worte fanden auch Klaus Beck während eines Bildervortrags sowie der ehemalige Bundestagsabgeordnete Winfried Nachtwei, der sich seit Jahrzehnten für ein Gedenken der Opfer in Riga einsetzt.
An der Gedenkstätte nahe des Waldes von Bikernieki, in dem Tausende Leichen verscharrt wurden und der damit zum größten Massengrab Lettlands wurde, wird durch den Beitritt der Stadt bald ein Stein mit dem Namen Telgtes liegen – als Mahnung und als Erinnerung an Taten, die sich niemals wiederholen sollen.