Castrop-Rauxel. „Nie wieder ist jetzt“ - der Hashtag, der am Mittwoch (8.11.) noch durch die Landesregierung veröffentlicht wurde, wurde auch am Donnerstagabend während der Gedenkveranstaltung zum 9. November in Castrop-Rauxel immer wieder betont. Vor dem Hintergrund des brutalen Anschlages durch die Terrororganisation Hamas am 7. Oktober erhielt der 9. November in diesem Jahr eine noch drängendere Gewichtung. Deutlich mehr Castrop-Rauxelerinnen und Castrop-Rauxeler als in den Jahren zuvor kamen daher auch zum Schweigemarsch, der am jüdischen Friedhof startete und an der ehemaligen Synagoge endete. Auch Regierungspräsident Andreas Bothe sowie Winfried Nachtwei, ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages und Mitbegründer des Netzwerkes des Riga-Komitees, nahmen an der Gedenkveranstaltung teil. Sie überreichten im Anschluss Bürgermeister Rajko Kravanja offiziell die Urkunde als 77. Mitgliedsstadt des Riga-Komitees.
„Sie alle setzen hier ein wichtiges Zeichen“, erklärte Bürgermeister Rajko Kravanja, überwältigt von der Zahl der Teilnehmenden während der Gedenkveranstaltung. „Es war immer und ist heute mit den letzten Ereignissen umso wichtiger, deutlich zu zeigen, dass die Worte nie wieder eine hohle Phrase sind, sondern wir als Gesellschaft tatsächlich für das "nie wieder" einstehen. Für eine offene Gesellschaft, für Toleranz und gegen den Hass.“ Auch Regierungspräsident Andreas Bothe betonte: „Der 7. Oktober stellt eine Zäsur dar. Mit diesem Tag erhielt der 9. November eine neue Dringlichkeit. Am 9. November 1938 standen Jüdinnen und Juden ohne Schutz da. Dies darf nie wieder der Fall sein und so leisten sie alle mit ihrer Teilnahme einen wichtigen Beitrag, dass nie wieder heute ist.“ Teilgenommen an dem Schweigemarsch, den in jedem Jahr der Stadtjugendring organisiert, hatten auch verschiedene Castrop-Rauxeler Jugendgruppen. Jugendliche aus Jugendzentren sowie Schülerinnen und Schüler des Adalbert-Stifter-Gymnasiums hielten dabei verschieden gestaltete Plakate mit Botschaften für den Frieden.
In kleiner Runde wurde im Anschluss an den Schweigemarsch im Jugendzentrum BoGi’s Café die Urkunde des Riga-Komitees überreicht. Dabei war der Veranstaltungsraum bewusst gewählt: Während des Nationalsozialismus wurde das Gebäude durch die Hitler-Jugend genutzt. Neben einer kleinen Ausstellung zu dieser Geschichte des Gebäudes, die die geladenen Gäste sich an dem Abend anschauen konnten, wies auch Bürgermeister Rajko Kravanja in seiner Begrüßung darauf hin: „Wir sehen hier eben auch die dunkle Geschichte der Stadt. Zugleich wird hier deutlich, dass mit viel Kraft und Willen und dem Gedenken an die Geschichte, etwas gutes Neues entstehen kann. Denn mit dem Jugendzentrum BoGi’s Café findet in diesen Räumen tagtäglich eine beeindruckende und sehr gute Jugendarbeit statt. Dass heute hier zudem der Stadt Castrop-Rauxel die Urkunde des Riga-Komitees überreicht wird, setzt ebenfalls ein wichtiges Zeichen.“
Die Beitrittsbekundung zum Riga-Komitee hatte der Rat der Stadt bereits im Sommer 2022 beschlossen. Anlass gab Bundestagsabgeordneter Michael Breilmann, der in seiner internationalen Arbeit im Ausschuss für Inneres und Heimat auf das Riga-Komitee stieß und den Vorschlag zum Beitritt einbrachte: „Der Beitritt war mir eine Herzensangelegenheit. Und in der Abstimmung im Stadtrat ist etwas ganz Wichtiges passiert: Es gab Einigkeit. Ohne eine große Diskussion wurde der Antrag einstimmig angenommen“, erklärte Bundestagsabgeordneter Michael Breilmann in seiner Rede zur Urkundenübergabe. „Aber die Arbeit mit der Urkunde ist nicht vorbei, es ist ein Baustein in der Erinnerungskultur, den es nun zu füllen gilt.“ Auch Regierungspräsident Andreas Bothe betonte noch einmal die Bedeutung des Erinnerns und damit der Arbeit des Riga-Komitees. Dabei dürfe das Erinnern genauso wie die deutsche Staatsräson, der Schutz von Jüdinnen und Juden und der Schutz Israels „nicht zur leeren Formel werden. Nun ist die Zeit der Bewährung. Jetzt müssen wir unsere Versprechen auch einlösen.“
Städtebündnis Riga Komitee
Seit der Gründung des Städtebündnisses im Mai 2000 tritt das Komitee für das Erinnern an die Deportation von Jüdinnen und Juden aus Deutschland, Österreich und Tschechien in das Ghetto Riga ein. Mit dem Beitritt möchte auch die Stadt Castrop-Rauxel einen Beitrag dazu leisten und Toleranz und Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen und Nationen fördern.
Text: Stadt Castrop-Rauxel