Meldungen aus dem Bezirksverband Münster
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Blumen im Wald von Bikernieki

Teilnehmer der Riga-Studienreise gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt in Lettland

Münster-Riga. Am Samstagnachmittag startete eine Reisegruppe des Volksbundes nach Riga. Auf dem Programm der Reise steht vor allem die Auseinandersetzung mit der Zeit der Nazi-Herrschaft in Lettland und diesbezüglich vor allem die unterschiedlichen Lesarten dieser Geschichte. Eine besondere Motivation der Reisegruppe besteht aber auch darin an die „Nachbarn von nebenan“ zu gedenken, die in den Jahren 1941/42 aus ihrer Heimat, dem Münsterland und Ruhrgebiet aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit deportiert wurden.

Nachdem die Reisegruppe den bekannten Zeitzeugen Margers Vestermanis im Museum „Juden in Lettland“ getroffen und das ehemalige Ghetto, die Moskauer Vorstadt gesehen hatte, besuchte sie am gestrigen Mittwoch unter anderem den Bahnhof Skirotava. Der Ort symbolisiert die Ankunft von etwa 25.000 Menschen jüdischen Glaubens, die nach ihrer Ankunft im Winter 1941/42 im sogenannten Reichsjudenghetto eingepfercht und nach diversen Arbeitseinsätzen oftmals den systematischen Erschießungsaktionen zum Opfer fielen. Im Anschluss der Erschießungen wurden die Menschen im Wald von Bikernieki in Massengräbern verscharrt. Er ist dadurch auch als „Wald der Toten“ bekannt.

Da der Ort nach der sowjetischen Besatzungszeit in Lettland (1945-91), in der das Gedenken an die Shoah kaum eine Rolle spielte, drohte weiter in Vergessenheit zu geraten, schaffte es das deutsch-lettische Kriegsgräberabkommen von 1996 diesbezüglich entgegenzuwirken.

Nach dem Abkommen sollte der Volksbund sich neben der Sanierung bzw. Neuanlage von Soldatengräbern auch um die Anlage einer würdigen Gedenkstätte für die Deportierten aus dem ehemaligen Deutschen Reich kümmern. In diesem Zuge wurde das Deutsche Riga-Komitee gegründet (2000) und mit der Unterstützung der Mitgliedsstädte die zentrale Gedenkstätte im Wald von Riga-Bikernieki errichtet (2001). (www.riga-komitee.de)

„Dass so viele Städte aus dem Münsterland und Ruhrgebiet sich bereits der Initiative angeschlossen haben, überrascht mich und weckt mein Interesse nachzuforschen, ob auch Menschen aus meiner Heimat nach Riga deportiert wurden.“ so eine Teilnehmerin nach dem ersten Gang über den zentralen Gedenkplatz mit den Granitsteinen der Mitgliedsstädte. Viele bewegte aber auch das anschließende persönliche Gedenken an einen Teil der Menschen, die nach Riga deportiert wurden. Ob Geschichten aus Warendorf, Telgte, Lengerich, Steinfurt, Coesfeld, Gescher oder Herne, sie alle machten deutlich, dass es notwendig ist auf einzelne menschliche Schicksale hinzuweisen, um der unvorstellbar hohen Anzahl von Opfern nicht ohnmächtig gegenüber zu stehen.

Ein besonders lebendiges Zeichen des Gedenkens setzte die Reisegruppe zum Schluss ihres Aufenthaltes in Bikernieki. Nachdem ein Strauß weißer Nelken auf den zentralen Platz gelegt wurde, legten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die aus Mitgliedsstädten des Deutschen Riga-Komitees stammten, einen bunten Strauß Blumen an dem Granitstein nieder, der an die „Nachbarn von nebenan“ aus ihrem Ort erinnert.

Mindestens bis zum Riga-Workcamps, das in Kürze beginnen wird, werden die Blumen nun ein leuchtendes Zeichen gegen das Vergessen im Wald von Bikernieki sein.